Geschichte
Die Geschichte unseres Caritasverbandes Warendorf begann in schwierigen Zeiten: In den Jahren nach dem verloren gegangenen ersten Weltkrieg brach eine unruhige Phase an, geprägt von Umbrüchen und stetigen Versuchen, sich neu zu orientieren. Millionen von sparsamen und regierungstreuen Mittelklassedeutschen, hatten ihr gesamtes Geld verloren, Armut machte sich breit. Wenige Jahre später begann mit dem aufkommenden Nationalsozialismus ein dramatischer gesellschaftlicher Umbruch in Deutschland. Es erscheint letztlich als zwangsläufig, dass gerade auf der Grundlage solcher gesellschaftlichen Entwicklungen vielerorts Initiativen entstanden, um der sozialen Not der Menschen entgegen zu wirken und Hilfe zu leisten, wo sie notwendig war.
Aufbruch im Kreis Warendorf
1897 hatte die katholische Kirche in Deutschland bereits den Deutschen Caritasverband gegründet, 1916 wurden während des Krieges die Caritasverbände in Münster und Recklinghausen ins Leben gerufen. Anfang der 1920er Jahre entschloss sich dann ein Kreis von engagierten Katholiken in Warendorf, der Wohlfahrt auch in unserer Region eine notwendige Organisationsstruktur zu geben.
Bei der Gründungsversammlung am 27. Juli 1921 im Warendorfer "Leveschen Saal" wurde Pfarrer Mönchemeier als Leiter der Versammlung von etwa 60 Männern und Frauen auch zum Vorsitzenden dieses ersten Warendorfer Caritasverbandes gewählt. Etwa ein halbes Jahr später gab sich der neu gegründete Verein die erforderliche Vereinssatzung unter dem Namen
Caritasverband des Kreises Warendorf e. V.
Die Satzungsinhalte waren mit denen in der heute aktuellen Satzung des Verbandes durchaus vergleichbar. Der Verein hatte bald eine enge Anbindung an die politisch zuständigen Gremien - etwa bei der Kreisverwaltung. In dem dort gegründeten Kreiswohlfahrtsausschuss, dem politischen Gremium für Koordination und Kooperation in der Wohlfahrt, war der jeweils amtierende Vorsitzende des Caritasverbandes als Mitglied vertreten.
Hilfe brauchte Initiativen vieler Einzelpersonen
Der Vereinsgründung in Warendorf folgten Initiativen in den umliegenden zum Dekanat Warendorf gehörenden Orten und Pfarreien, Kooperationen wurden vereinbart. Die nun verbandlich organisierte und im Ehrenamt der Kirchengemeinden strukturierte Wohlfahrtsarbeit entwickelte sich in den Folgejahren stetig weiter. Durch die menschenverachtende Politik der NSDAP gab es aber auch für die katholische Wohlfahrt immer wieder Rückschläge, und viele Helfer/-innen hatten unter Behinderung der Arbeit und unter Repressalien bis hin zur Gefangennahme zu leiden.
1935 wurden auf Anregung des Vereins in allen Orten "Caritasausschüsse" eingeführt. Auch während der Kriegsjahre nahmen sich die aktiven Helfer*innen des Kreiscaritasverbandes unvermindert - teilweise unter Gefährdung ihres eigenen Lebens - körperlich oder seelisch bedrängter, rassisch verfolgter und anderer Hilfsbedürftiger an.
Entwicklung in der Nachkriegszeit
Die engagierten Helfer*innen standen in enger Kooperation mit anderen katholischen Initiativen, aber auch mit anderen Wohlfahrtsorganisationen und Behörden. Sie kümmerten sich auch um die Menschen, die durch den Krieg in soziale Not geraten waren. Die organisierte Arbeit wurde dementsprechend nach dem Kriege erstmals durch die Einrichtung einer ersten hauptamtlich besetzten Stelle verfestigt. Dort kümmerte man sich um die Organisation, die Sammlungen, den Wohlfahrtsmarkenvertrieb und vor allem um die Gesundheitsvorsorge und Fürsorge durch Entsendung von Kindern, Jugendlichen, Müttern und alten Menschen in mehrwöchige Erholungsmaßnahmen.
Mit dem Wiederaufbau in Deutschland und der Einführung demokratischer Strukturen in Politik und Gesellschaft ging auch die weitere Entwicklung der Wohlfahrtspflege im Kreis Warendorf einher. 1968 wurde erstmals ein geschäftsführendes Vorstandsmitglied eingeführt: Franz-Josef Risse, seinerzeit Assistent des Bezirksdechanten, begleitete und förderte seitdem und bis zu seinem Tode im Jahre 2010 die Entwicklung der Caritas im Kreis Warendorf.
Zunehmende Vernetzung mit staatlichen Diensten
Die Gründung einer Erziehungsberatungsstelle mit einer ersten hauptamtlichen Fachkraft, zunächst mit Sitz in Ahlen, später in Warendorf, beschreibt den Beginn der seit dieser Zeit engen und intensiven Zusammenarbeit zwischen der freien Wohlfahrt und staatlichen Diensten und Einrichtungen. Nach dem gesellschaftspolitischen Prinzip der Subsidiarität übernimmt bis heute auch der Caritasverband in Warendorf Aufgaben, die dem Grunde nach dem Staat obliegen und von ihm erbracht werden müssten.
Regionale Entwicklungen erfordern Veränderung der Strukturen
Tiefgreifende Änderungen in der Organisation der Caritas im Kreis Warendorf ergaben sich in den 1970er Jahren. Nachdem der Verband mit der Tagesbildungsstätte für geistig behinderte Kinder 1970 erstmals in den großen Bereich der Hilfen und Unterstützung für Menschen mit Behinderungen eingestiegen war, und ab 1974 auch ein Werkstattangebot für erwachsene Menschen mit Behinderungen geschaffen hatte, wurde in Beckum 1974 der Caritasverband für den Kreis Beckum e.V. gegründet. Danach ergab sich im Zusammenhang mit der kommunalen Neugliederung der Kreise, Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen eine weitere grundlegende Veränderung in der Vereinsstruktur.
Als 1976 dann noch die Kirche mit der Gründung der Dekanate Ahlen, Beckum und Warendorf neue Zuständigkeitsbereiche vorgab, nahmen auch die Caritasverbände Gespräche über eine zweckmäßige Verbandsstruktur im neuen politischen Großkreis Warendorf auf. Es wurde schließlich vereinbart, dass die früheren Kreiscaritasverbände Beckum und Warendorf in Zukunft - ebenso wie ein neuer Verband in Ahlen - als Dekanatscaritasverbände weiter bestehen sollten. Auf der Ebene des neu geordneten Kreises Warendorf mit Sitz in der Kreisstadt Warendorf wurde durch diese drei Dekanatsverbände gemeinsam ein neuer Caritasverband als ‘Fachverband für die Behindertenhilfe‘ sowie als ‘Interessensvertretung‘ gegenüber dem neuen Großkreis und den übrigen Behörden errichtet. Die Gründung dieses neuen Verbandes erfolgte im November 1976. Die Vereinsgremien wurden aus den Dekanatsverbänden besetzt. Aufgrund der Übernahme staatlicher Aufgaben aus der Behindertenhilfe entwickelte sich dieser Verband in den Folgejahren deutlich stärker als seine drei "Mutterverbände".
Der Verband trat als Träger für den Gesamtbereich der Hilfen für Menschen mit Behinderungen auf. Zeitweilig war er später auch Träger einer Einrichtung für die stationäre Altenhilfe in Telgte, zudem gründete er eine Fachschule für Altenpflege, Familienpflege und Podologie. Die drei Dekanatscaritasverbände in Ahlen, Beckum und Warendorf behielten - bezogen auf die kirchliche Zuständigkeit in den Dekanaten - die "klassischen Aufgaben" in der Caritas der Kirche vor Ort, wie sie zum großen Teil heute noch bestehen.
Zusammenschluss der Dekanatsverbände
Aus wirtschaftlichen Gründen wurde von den vier Vorständen und Geschäftsführungen nach einem Weg gesucht, im Bereich von Verwaltung und Organisation Kosten zu sparen. Nach einigen Zwischenschritten kam es zum 01. Januar 2006 schließlich zur Verschmelzung der drei Caritasverbände in Warendorf und Beckum. Der Caritasverband im Dekanat Ahlen blieb trotz der getroffenen Vorvereinbarungen und intensiver Verhandlungen selbstständig. Vertreter dieses Verbandes waren und sind aber seitdem in der Delegiertenversammlung des neu entstandenen
Caritasverbandes im Kreisdekanat Warendorf e.V.
vertreten.
Vom Ehrenamt zur professionellen Wohlfahrtsorganisation
Was im Juli 1921 auf der Basis ehrenamtlichen Engagements für Menschen in Not begonnen worden ist, hat sich zum 100-jährigen Jubiläum im Juli 2021 nicht nur als ein bedeutendes Unternehmen für soziale Dienstleistungen, sondern auch als wichtiger Arbeitgeber im Kreis Warendorf entwickelt, und ist aktuell als Träger in der freien Wohlfahrtspflege nicht wegzudenken. Im gesamten Kreis Warendorf wird die caritative Hilfe und Beratung für Menschen mit Behinderungen maßgeblich vom Caritasverband im Kreisdekanat Warendorf sichergestellt. Über alles unterstützen inzwischen 56 Dienste und Einrichtungen des Verbandes die Menschen vor Ort im gesamten Kreisdekanat Warendorf (dazu gehören auch die Stadt Harsewinkel, sowie die Gemeinden Langenberg und Liesborn).
Ähnlich wie bereits in der Gründungssatzung des jetzt 100jährigen Verbandes sind nach wie vor die katholischen Pfarreien und verschiedene katholische Verbände neben eingetragenen Einzelpersonen die Mitglieder des Verbandes. Er wird durch einen hauptamtlichen Vorstand geleitet und vertreten. Aufsicht und Beratung dieses Vorstandes sind Aufgabe des Caritasrates, in den aus den beteiligten Dekanaten bis zu neun Frauen und Männer jeweils für sechs Jahre gewählt werden. Die ehrenamtlichen Mitglieder des Caritasrates arbeiten gleichzeitig im Aufsichtsrat für die Freckenhorster Werkstätten GmbH. Qua Amt arbeitet der jeweilige Kreisdechant im Kreisdekanat Warendorf in diesen beiden Gremien mit und hält so die Verbindung zwischen Kirche und Caritas aufrecht. Hauptamtliche oder ehrenamtliche Personen vertreten den Verband in den Gesellschafterversammlungen oder den Aufsichtsräten der Gesellschaften, an denen der Verband beteiligt ist:
Als alleiniger Gesellschafter bei der
- Freckenhorster Werkstätten - GmbH,
- Freckenhorster Werkstätten Dienstleistungsservice - GmbH und
- Caritas Blick GmbH.
Als Mehrheitsgesellschafter bei der
Außerdem als Mitgesellschafter: bei der
Mitarbeitende früher und heute
Sehr verändert haben sich die notwendigen Qualifikationen bei Angestellten und Beamten im Verband. Schon ohne Berücksichtigung der angeschlossenen Gesellschaften kommen die Mitarbeitenden im Verband z.B. aktuell aus insgesamt 141 verschiedenen Berufsrichtungen.
Auch die konfessionellen Ausrichtungen der Mitarbeiter*innen in den Caritasdiensten sind inzwischen sehr differenziert. Waren Mitglieder und Mitarbeiter*innen in der jungen Caritasfamilie vor 100 Jahren unbedingt katholisch, so hat sich das Spektrum der Konfessionen in der großen Schar der Mitarbeitenden bis heute deutlich verändert: Wiederum nur im KCV gezählt sind von 963 Mitarbeitenden 638 katholisch (66,2%), 182 sind evangelisch (18,8%), und 143 (14,8%) haben eine andere oder keine Konfession. Ein differenziertes Bild ergibt sich dazu auch in der CaD-GmbH. 54,9 % der Mitarbeitenden in der ambulanten Pflege sind katholisch, 20,4 % sind evangelischer Konfession und immerhin 117 Personen geben keine oder eine andere Konfession an. Traditionell frauenlastig ist das Bild bei der Gender-Verteilung. 71% der Mitarbeitenden sind Frauen, 28,2 % sind Männer.
Eine besondere Herausforderung kommt auf das Personalmanagement im Verband in den nächsten Jahren zu. Für KCV und Werkstätten-GmbH gezählt sind insgesamt 312 Mitarbeiter*innen 60 bis 66++ Jahre alt und deshalb in absehbarer Zeit in die Rente/ Pension zu entlassen. Schon heute ist es aber sehr schwer, für einzelne Berufsgruppen Nachwuchskräfte zu finden.
Was die fachlich-ideologische Qualität der Alltagsarbeit in den vielfältigen Diensten angeht, so haben Verbandsleitung und Mitarbeitende über die berufsfachlichen Ansprüche hinaus bereits 2008 ein sechsteiliges umfangreiches Leitbild erarbeitet und vereinbart, das die Ausrichtung für die fachliche Arbeit vorgibt.