Treffen in der Heinrich-Tellen-Schule: Sparpläne der Bundesregierung bringen Freiwilligendienste in Gefahr
Eberhard Everke (stv. Schulleiter HTS), Doris Kaiser (stellvertretende Bürgermeisterin Warendorf), Philipp Soggeberg (Geschäftsführer FSD Münster), Henning Rehbaum (MdB), Dominik Wiechers (BFDler), Tobias Mörth (Schulleiter HTS), Herbert Kraft (Vorstandssprecher Caritasverband im Kreisdekanat Warendorf e.V.) (Bild: Jutta Möller).
Der Anlass des Treffens in der Förderschule mit dem Schwerpunkt geistige Entwicklung waren die geplanten Sparmaßnahmen im Bundeshaushalt 2024 bei den Freiwilligendiensten.
78 Millionen Euro weniger soll es nach den Plänen der Bundesregierung im nächsten Jahr für das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) und den Bundesfreiwilligendienst (BFD) geben. Mit einer Einsparung von knapp 24 Prozent ist damit jeder vierte Platz betroffen. Im darauffolgenden Jahr sind noch weitergehende Kürzungen geplant. Wie sich die Einsparungen konkret auswirken werden, ist noch unklar. Klar ist aber, dass weniger junge Menschen die Möglichkeit erhalten, sich nochmal auf ganz anderem Wege weiter zu entwickeln und wertvolle Erfahrungen für das weitere Leben zu sammeln. Und klar ist auch, dass den sozialen Einrichtungen mit den fehlenden Freiwilligendienstlern eine wertvolle und häufig unverzichtbare Unterstützung im Alltag wegbricht.
Schulleiter Tobias Mörth (links) informiert die Besucher*innen über die Arbeit in der Heinrich-Tellen-Schule, einer Förderschule mit dem Schwerpunkt geistige Entwicklung (Bild: Jutta Möller).
Das wurde auch bei dem Besuch in der Heinrich-Tellen-Schule deutlich. Schulleiter Tobias Mörth gab einen wichtigen Einblick, welche Bedeutung die Freiwilligen im Schulalltag haben: "Ich erlebe hier jeden Tag junge Menschen, die sich engagieren wollen und mit ganzem Herzen bei der Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen dabei sind. Wichtige Extraangebote, von denen die Kinder und Jugendlichen profitieren und durch die Eltern und Lehrkräfte entlastet würden, könnten ohne das derzeit 14-köpfige Team der Freiwilligendienstleistenden nicht stattfinden."
Darüber hinaus machte er deutlich, wie sehr sich die FSJler und BFDler, wie sich häufig kurz genannt werden, in dem einen Jahr auch ganz persönlich weiterentwickeln. Häufig sei der Einsatz ganz entscheidend für die berufliche Orientierung und die Wahl eines sozialen Berufes. "In Zeiten, in denen wir in unseren Einrichtungen um jeden Mitarbeitenden kämpfen, ist das freiwillige Jahr eine unverzichtbare Komponente, um junge Menschen für die Arbeit im sozialen Bereich zu begeistern", appelliert Mörth an die Politik.
BFDler Benedikt Wiechers aus Warendorf im Gespräch mit Doris Kaiser (stellvertretende Bürgermeisterin) und Henning Rehbaum (MdB) (Bild: Julia Kuhn).
Diese Erfahrung macht auch Benedikt Wiechers. Nach einem Praktikum in der Heinrich-Tellen-Schule während der Schulzeit entschied er sich ganz bewusst für den Freiwilligendienst in der Förderschule. Dort ist er fast ausschließlich für die Betreuung eines 16-jährigen Jungen aus Afghanistan mit einer mehrfachen Behinderung zuständig, der erst seit seinem Aufenthalt in Deutschland die Schule besuchen kann und viel Unterstützung braucht. "Die Erfahrungen, die ich hier bisher bei der Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen gemacht habe, bekräftigen auf jeden Fall meine Entscheidung für den beruflichen Weg, den ich einschlagen möchte", sagt der 19-jährige Freiwilligendienstler, der während dem einstündigen Rundgang durch Schule und Klassen immer wieder Einblick in seine täglichen Aufgaben gab. Nach dem Jahr wolle er sich auf jeden Fall für einen Studienplatz im Fach "Soziale Arbeit" bewerben.
Eine Rückmeldung, die Phillip Soggeberg häufig erhält. Er ist Geschäftsführer der Freiwilligen Sozialen Dienste im Bistum Münster, und begleitet mit seinem Team vor allem den pädagogischen und organisatorischen Anteil des freiwilligen Jahres. "Die Mittelkürzung der Bundesregierung bringt einen Qualitätsverlust auf vielen Ebenen und ist ein falsches Signal an die jungen Menschen", kritisierte Soggeberg die Sparpläne und stieß damit auf Zustimmung des Bundestagsabgeordneten Henning Rehbaum. Der zeigte sich bei einer Führung durch die Schule und durch die Begegnung mit den Freiwilligen beeindruckt. "Die Freiwilligendienste sind systemrelevant für die gesamte Gesellschaft. Die Struktur und Qualität sollten erhalten bleiben", sagte Rehbaum seine Unterstützung auf politischer Ebene zu.